Das Home Office als Versteck

Über die Vor- und Nachteile berufstätiger Eltern, von zu Hause aus zu arbeiten

Es ist 14:16 Uhr. Damit habe ich noch etwa fünf Minuten, mir einen Tee zu holen, bevor die Kinder von der Kita zurückkommen. Daniel hat bereits seinen Arbeitsplatz am Esstisch geräumt und ist ins Schlafzimmer verschwunden – einem unserer beiden überaus professionellen Arbeitsplätze im Home Office. Ich sitze im Kinderzimmer am immerhin höhenverstellbaren Schreibtisch meiner Tochter (den sie mit ihren drei Jahren natürlich eh nie nutzt). Unsere Wohnsituation lässt es derzeit einfach noch nicht zu, dass jeder Raum lediglich eine einzige Funktion hat. Diesen Luxus werden wir erst mit dem Umzug ins Haus haben, wenn es im kommenden Jahr fertig ist.

Bis dahin herrscht hier unsere private „WeWork“ oder Co-Working Lösung. Tagsüber sind das geteilte Kinderzimmer, in dem die zwei Minis übernachten, sowie unser Schlafzimmer, die Orte, an denen wir arbeiten und im Auftrag von Kunden Millionen erwirtschaften (übertrieben, zugegeben, aber hört sich cooler an). Und das geht tatsächlich vom heimischen, nicht ergonomisch aufgesetzten Arbeitsplatz. Das hätten unsere Kunden vor der Corona-Pandemie nie geglaubt, dass Berater oder Agenturleute von zu Hause aus produktiv sein können. Nun ja, sie wurden auf die harte Tour für uns alle eines besseren belehrt.

Vorteile von Kindern im Home Office

Für uns Eltern bringt es zahlreiche Vorteile mit sich, nicht ständig unterwegs zu sein. Ich könnte meinen Job in der Beratung auch nicht mehr ausüben, da ich unmöglich vier Tage die Woche unterwegs sein kann und meinen Mann mit den Kids (ein und zwei Jahre alt) nachts alleine lasse – er ist durchaus auch ab und an auf Reisen.

Der Arbeitsweg fällt weg und die lästige Pendelei, die gut und gern trotz U-Bahn-Anbindung an die Stadt jeden Tag in Summe anderthalb Stunden kostet, kommt stattdessen als Zeitgutschrift auf die Haben-Seite unseres Resilienz-Kontos.

Nachteile von der Arbeit im Home Office mit Kindern daheim

Und zack – ich höre die Kinder just in diesem Augenblick hereinkommen, die unser Aupair abgeholt hat – da kommen wir auch schon zu den Nachteilen. Geschrei lässt sich mittlerweile ganz gut aushalten und wir sind bei weitem keine Helikopter-Eltern. Aber sobald wir uns zeigen, wenn die Kleinen zurück sind, ist der ruhige Arbeitsnachmittag gelaufen.

Schnell mal einen Kaffee/ Tee machen oder Wasser holen? Nervennahrung aus der Küchenschublade? – Vergesst es.

Dieser Ausflug in Küche und Wohnzimmer kostet mit wachsamen Kindern statt zwei Minuten locker 10 oder 15 Minuten, wenn sie uns denn überhaupt ohne Geschrei wieder gehen lassen. Natürlich ist es schön, sie tagsüber zu sehen und in der Nähe zu sein, gerade wenn sie mal hinfallen und getröstet werden müssen oder um sich selbst einfach ein wenig quality time zu gönnen. Wenn es aber gerade nicht passt, weil der Kopf noch mit vielen anderen Gedanken beschäftigt ist und auf der Arbeit festhängt, wandelt sich unser selbst gewählter Arbeitsraum vom Rückzugsort zum Gefängnis. Ich bleibe regelmäßig lieber hinter der geschlossenen Kinderzimmertür, als einen Fuß davor zu setzen und zu „riskieren“, dass mich meine Kinder tagsüber sehen und ab dem Zeitpunkt gespeichert haben, dass Mama da ist. Konsequenz daraus ist nämlich: Eine am Treppenabgang stehende Dreijährige, die es locker eine halbe Stunde am Stück aushält, „Maaaaama“ in einer Lautstärke zu rufen, dass nicht mal die besten noise cancelling Filter in Teams oder den Kopfhörern diesen Umstand vor anderen Meeting-Teilnehmern verbergen. Oder der heulende Einjährige, der nur auf Mamas und auf keinem anderen Arm je wieder glücklich sein kann – zumindest für die nächsten 10 Minuten.

Mir das Nervengerüst dafür anzueignen habe ich bisher noch nicht vollends geschafft – aber ich arbeite daran. Und alles in allem ist die Nähe zu unseren Kindern unterm Strich etwas schönes, was ich nicht missen möchte!


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