Bei den anderen ist immer alles besser

Leider wussten schon meine Eltern: „Wir sind aber nicht die anderen“

Alles klappt woanders besser. Gerade beim ersten Kind hat man wahrscheinlich durch Hebamme, Kurse usw. einen größeren Kreis an Leidensgenossinnen – also Mit-Schwangeren – mit denen man sich irgendwann zwangsweise vergleicht. „Ist sie noch unförmiger als ich?“ – „Warum kann die ihre Zehen noch sehen in der 36. Woche?“ – „Was, ihre Geburt hat nur 6 Stunden gedauert?“ -„Deren Kind schläft nach 6 Monaten schon durch.“ – „So viel Milch trinkt eure Kleine? Da könnte sich unser Nuckler mal eine Scheibe von abschneiden“. – „Bauchweh? Wir sind nur zu U-Untersuchungen beim Kinderarzt“.

So oder so ähnlich geht es uns doch allen, wenn wir mal ehrlich sind. Immer können die Anderen etwas besser, eher, schlafen früher, länger, quengeln weniger. „Die haben es viel besser als wir.“ Nur bei einem sind sich alle einig, mit oder ohne Hormon-Einfluss: Das eigene Kind ist das hübscheste. (Was natürlich immer der objektiven Wahrheit entspricht.)

Die Anderen kochen auch nur mit Wasser

Tja: An allem ist was wahres dran, aber wenn man mal genau hinterfragt und die Familien irgendwann besser kennenlernt, merkt man: Die kochen auch nur mit heißem Wasser. Soll heißen, 

Neu-Eltern reden gern mit anderen Neu-Eltern, als ginge es um ihr Instagram-Profil.

 Vor allem um das der Mütter. Und dort postet man natürlich nur die schönen Seiten des Lebens. Oder habt ihr häufig Bilder von Unfällen oder sonstigen Katastrophen in eurem Feed an auf Hochglanz polierten Profilen?

Genauso verhält es sich mit Eltern: Natürlich haben auch Daniel und ich am Anfang gern das erzählt, was gut klappt. Weil frisches Elternsein toll ist. Und weil man gern von den guten Seiten berichtet. Und nicht der Nörgler sein will. Dass es viele schlaflose Nächte am Anfang sind, ist ja wohl jedem klar, wir sitzen alle im selben Boot. Und Stillprobleme sind ebenfalls täglich Brot – zu viel oder zu wenig Milch, wunde Brustwarzen, Entzündungen, hurra…

Damit man sich nicht gegenseitig nur sein Leid klagt, artet es eben in einen unterschwelligen Wettstreit aus, auch wenn die Kinder noch keine drei Monate alt sind. Irgendwas muss man sich ja schließlich erzählen in dieser Eltern-Blase während Mutterschutz, Wochenbett, Elternzeit oder Urlaub. Bei absolut Null Einfluss und Stimulation von außen.

Das relativiert sich spätestens beim zweiten Kind (sofern man denn eins bekommt). Viel früher fängt die Fassade freilich zu bröckeln an, wenn man mitbekommt, dass die Vorzeigekinder, auf die man tags zuvor noch so neidisch war, nur einschlafen und durchschlafen, wenn Mama und Papa jeweils in getrennten Betten in unterschiedlichen Zimmern mit jeweils einem Kind einschlafen. Wohlgemerkt hat das betreffende Paar demzufolge seit Geburt des jüngsten Sprosses vor einem Jahr keinen Bedarf mehr an einem Ehebett.

Oder dass der Junge, der Unmengen an Milch trinkt und dann durchschläft, vorzeitig abgestillt werden musste, weil es einfach nicht klappen wollte. Und die betreffende Mama ganz deprimiert deswegen ist.

Oder dass die Mutter, die zwar nur drei Wochen nach der Geburt wieder ihre normalen Jeans von vor der Schwangerschaft anziehen konnte, nach dem Abstillen so „toll“ abgenommen hat, dass sie nun nicht nur eine schlanke Taille, sondern auch null Oberweite mehr hat.

Diese teils hoch-emotionalen Situationen oder Phasen, die auch am Selbstwertgefühl kratzen, bekommt man als Außenstehender nicht unbedingt mit und es ist auch nichts, worüber die betreffenden Eltern gern sprechen, wenn es schon viel Kraft gekostet hat. – Ich selbst war dann doch froh, ein Kind ohne größere Probleme volle sechs Monate stillen zu können. Trotz wunder Brustwarzen und anfangs Schmerzen bei jedem Anlegen.

Es läuft bei niemandem perfekt

Das sind die Aspekte, die euch natürlich keiner direkt auf die Nase bindet. Aber seid euch gewiss, es gibt solche Dinge überall, und auch wir haben irgendwann  gemerkt, dass wir eigentlich schon ziemlich viel ziemlich gut machen, im Gesamtbild. Und dass wir es gar nicht so schlecht haben und vielleicht auch andere insgeheim auf uns neidisch sind. 🙂

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