Pädagogik-Experiment am eigenen Kind: Was tun bei Wutanfällen?

Die Wutprobe: Geschrei, bis einer nachgibt

…und meistens bin das ich. Man kann Erziehungsratgeber zum Thema Wutanfälle beim Kleinkind noch und nöcher lesen, das eigene Kind fällt in die Kategorie „Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.“.

Was also tun, wenn das Kind so alt ist, dass es nicht nur einen eigenen Willen hat, sondern diesen auch mit Unterstützung der von der Natur aus gegebenen starken Lunge äußern kann? Jüngstes Beispiel: Wir fordern Kind Nr. 1 auf, sich auch an den Tisch zu setzen, um mit uns gemeinsam das Abendessen zu begehen. Kind Nr. 2 sitzt freilich schon zufrieden im Hochstuhl und nuckelt mit seinen zwei Zähnchen munter an weich gekochtem Brokkoli, das frisch gekochte Essen steht dampfend auf dem Tisch. Natürlich steht auch eine Schüssel Reis ohne alles auf dem Tisch. 

Kind Nr. 1 klettert auf den eigenen Stuhl und versucht, den nicht so klebrigen Reis selbst mit dem Löffel zu essen. Unser Wunsch, doch bitte ein Lätzchen mit Auffangfalte umzulegen, wird abgelehnt. Wir belassen es dabei, solche kleinen Kämpfe fechte ich schon lange nicht mehr aus. Aus unserer Sicht ist es wertvoller, die Tochter essen zu lassen, wenn sie schon mal freiwillig etwas isst (das ist nicht immer der Regelfall), als ein blitzsauberes Zuhause. Denn natürlich braucht es keine fünf Minuten, damit es in einem halben Meter Umkreis um ihren Hochstuhl aussieht, als hätte eine Bombe in dieses winzige Schüsselchen Reis eingeschlagen und die Körner in alle Himmelsrichtungen verteilt. (Beim Saubermachen stellt man dann doch fest, dass der Reis klebt).

Kurz darauf die nächste Willenserklärung durch konkludentes Handeln: Das Kind ist fertig mit dem Essen. Im wahrsten Sinne des Wortes, das obig beschriebene Chaos hätte jedem Messi-Haushalt alle Ehre gemacht. Vom Hochstuhl abgestiegen, geht es jetzt so richtig los:
Unsere Versuche, sie noch ein wenig zum Weiteressen zu motivieren („Carolina, iss doch noch ein bisschen Reis… oder was anderes leckeres“), schlagen von einem einfachen „Nein“ als Antwort in Nullkommanix um in Geschrei und Weinen. Warum? Keiner weiß es. Getan haben wir ihr nichts, lediglich die Forderung nach Cookies lehnen wir ab.

Schlimm – schlimmer – am schlimmsten

Einmal in Rage geschrien, war das Kind nicht mehr zu stoppen: „Papa herkommen!“ forderte es im Befehlston. Gemeint ist natürlich unverzüglich. Letzterem ist der Papa natürlich nicht direkt nachgekommen und vom Stuhl aufgesprungen. Immerhin ist er ihr so weit entgegengekommen, dass er dann vor ihr stand, nur um sich dann in nicht gemäßigter Lautstärke die entgegengesetzte Sirene anhören zu müssen: „NEEEIINNN!“ – Auf das „Gut, dann geh ich wieder“-Achselzucken von Papa kam postwendend ein noch lauteres „DOOOOCH“. So geht es dann etwa eine halbe Stunde. In der wird viel geweint, geschrien, vor Wut gehüpft und mit den Händen geschüttelt. Tränchen kullern auch, und der kleine Wutbolzen weiß wahrscheinlich nicht mal selbst, warum.

Einer der Opas hat dieses Verhalten mal ironisch betitelt als das, „was man mit konkretem Willen erreichen kann“.

Was also hilft bei WutanfÄllen beim Kleinkind?

Uns haben die fortwährenden Wutproben, die gar nicht mal so selten im Alter von 2 bis 3 Jahren in fast allen gut sortierten Haushalten vorkommen, soweit getrieben, dass wir zu einer Familienberatungsstelle gegangen sind. Da gab es tatsächlich Vorträge zum Thema „Wutanfälle beim Kleinkind“ und wir konnten ein wenig aufatmen, der war nämlich gut besucht. Wir sind also nicht die einzigen mit dem Problem. Um die nervliche Zerreissprobe abzuwenden, empfahl die Psychologin uns, dem Kind zu spiegeln, was es gerade fühlt. Das können Kinder nämlich erst ab einem Alter von 4 Jahren, erzählte sie uns. Soll heißen: Kind schreit, weil es jetzt aufhören soll, Fernsehen zu schauen und wir so „Du bist wütend, weil du jetzt nicht mehr Fernsehen schauen darfst“. Und was soll ich sagen – simpel, aber hilft!

Natürlich nicht als Allheilmittel, aber Mini 1 ist schneller wieder auf dem Boden der Tatsachen und regt sich leichter ab. Wut zu haben und ausdrücken zu dürfen ist auch wichtiger Bestandteil der Entwicklung.

Und vor allem: Mit diesem bisschen mehr an Verständnis durch den Vortrag und dem Wissen, dass es nicht nur uns so geht, können wir uns besser darauf einstellen. Und haben sogar teilweise Mitleid mit dem armen Tropf, der noch nicht weiß, wohin mit den Gefühlen. Da wird das Trösten und Verständnis haben umso einfacher.


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