Sechs Wochen Leben und Arbeiten in Japan: ein Zwischenfazit

Kirschblüte in Kyoto, Japan, Asien

Nun bin ich seit sechs Wochen zum Leben und Arbeiten in Japan, und es gibt zahlreiche Dinge, die ich wirklich toll finde. Gleichzeitig, wie das immer so ist, gibt es natürlich auch kulturelle Einflüsse, mit denen ich mich noch nicht anfreunden kann oder die ich von zu Hause vermisse.

Was ich mag und es mir einfach macht, wiederzukommen
  • Die Menschen im Allgemeinen. Alle sind sehr höflich (auch wenn ich nichts verstehe), und man lächelt sich an, anders als in Deutschland
  • Personalisierte Essstäbchen. Auch wenn der Kauf solcher so kompliziert sein kann wie die Auswahl des richtigen Zauberstabs bei Harry Potter.
  • Die Ordnung überall. Selbst beim einsteigen in den Bus wird sich brav angestellt, niemand drängelt. Bei Rolltreppen wird sich grundsätzlich auf die linke Seite gestellt, rechts bleibt frei für diejenigen, die nicht stehen wollen und es eilig haben. Ein anderer Aspekt dessen ist die Aufgeräumtheit überall. Selbst kleine Gässchen sind nicht dunkel, dreckig, voller Schlaglöcher und verschmutzt, sondern einladend und hübsch.
  • Das Essen. In neunzig Prozent der Fälle habe ich zwar keine Ahnung, was die Kollegen mir da bestellt haben, es ist aber ausnahmslos lecker und gut zubereitet. So viele „fremde“ Zutaten wie man denken mag sind übrigens nicht dabei. Allerdings wird es das asiatische Essen zu Hause schwer haben, da mitzuhalten.
  • Die ausgefallene Seite der Mode. Zwar gibt es einerseits viel Ton in Ton und einen Hang zu oversized Klamotten, andererseits trauen sich die Japaner auch was (bzw ist es ihnen vermutlich egal, was andere denken). Das fängt bei gewagten Musterkombinationen an, geht über farbige Kontaktlinsen und hört längst nicht bei fraglichen Kopfbedeckungen in Form von rosa Schweinchen auf…
  • Die Landschaft. Egal in welche Richtung, ob rund um den Fuji, in Richtung Nagano oder Kyoto bzw. Osaka, konnte ich aus dem Zug heraus eine tolle hügelige Landschaft entdecken. Mit der Kirschblüte war das natürlich fantastisch, und mittlerweile wird alles satt grün.
  • Das japanische Verständnis von Entertainment. Karaoke-Bars überall – ich hoffe beim nächsten Aufenthalt schaffen wir es, eine zu besuchen.
  • Die viel gelobte Pünktlichkeit. Da muss ich nicht viel zu sagen, es stimmt einfach. Und die Deutsche Bahn sollte mal nach deren Geheimnis fragen.
  • Die Arbeitskultur. Zwar arbeite ich in einem international geprägten Umfeld, man kommt aber trotzdem in Kontakt mit den einheimischen Sitten. So werden z.B. Visitenkarten (jeder hat immer ausreichend in der Tasche) mit beiden Händen und einer Verbeugung übergeben. Der Rangniedrigere verbeugt sich dabei immer ein kleines Stückchen tiefer. Auch die Sitzordnung in Konferenzräumen ist kulturell geprägt. Auch wenn in dem Unternehmen, für das ich hier bin, keine solch strengen Regeln gelten, würde in einem rein japanischen Umfeld der in der Hierarchie Höchste am Kopfende des Tisches sitzen, dass „Fußvolk“ darf am unteren Ende verbleiben.
  • Lustige Sicherheitshinweise. Zum Beispiel im Spa – „bitte den Fön nur für menschliches Haar verwenden“ oder im Flugzeug während der Sicherheitsdurchsage bei ANA – „es ist verboten, während der Evakuierung Fotos zu machen“.
Was ich vermisse bzw. womit ich mich nicht so richtig anfreunden kann
  • Keine Mülleimer im öffentlichen Raum, d.h. auf der Straße oder sonstwo, nur neben einigen der zahlreichen Getränkeautomaten – man verdurstet zumindest nicht (da steckt sicher eine ganz eigene Logistik hinter).
  • Sitzplätze in der Bahn reservieren. Die müssen am Schalter reserviert werden, online geht gar nichts. Zumindest nicht auf der englischen Seite. Die Kollegen berichten allerdings, dass sie in der japanischen Version der Website diese Option schon haben. Das Leben und Arbeiten in Japan wird dadurch allerdings nur ein bisschen erschwert, weil man es nicht gewohnt ist und aufgrund der Fortschrittlichkeit dieses Landes auch eigentlich nicht erwartet.
  • Plastik. sogar die Bananen im Supermarkt sind in Folie gehüllt. Die Verpackungswut der Japaner geht sogar so weit, dass eine Packung Sushi (an sich ja schon eingepackt, wenn man sie aus dem Kühlregal nimmt, was man übrigens bedenkenlos tun kann, es ist einfach überall sehr gut) in eine weitere Tüte gepackt wird, damit „nichts ausläuft“, bevor man sie dann schließlich in die reguläre Tragetüte steckt. Sollte man noch ein Beutelchen Eis dazu wollen, damit die gekaufte Ware während des Transports frisch bleibt, ist dieses natürlich in einem neuerlichen Tütchen eingewickelt. Man kanns auch übertreiben…
  • Niedliche Haustiere in Schaufenstern. Auf einem nicht einmal halben Quadratmeter eines Plexiglaskastens finden sich allerhand niedliche Hündchen, Kätzchen, Häschen u.s.w.. Welpen und Babies allesamt, sonst würden sie nicht in diese ohnehin schon unwürdigen Boxen passen. Sehr traurig anzusehen und ich würde am liebsten alle sofort adoptieren (wenn es da nicht sehr strenge Ausreisegesetze für einheimisches Getier gäbe, ich Zeit hätte, wir Platz hätten etc.).

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