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Von Xavier, den Superhelden und einer doch geglückten Bootsfahrt

Ich rotiere. Nicht erst seit Beginn des Tages, denn ich hatte neben der Arbeit „mal eben“ unser Team-Event organisiert. 40-50 Teilnehmer, ein Klacks. Die Kombination Donnerstagabend und Oktober ist dankbar, da sind Venues aller Art in Hamburg nicht wirklich ausgebucht, somit hatte ich ein paar Alternativen. Nach einer Auftaktveranstaltung im letzten Jahr in einem Restaurant in München hat sich unser Leadership in diesem Jahr für unser neues Büro >>mit Dachterrasse an der Binnenalster<< in Hamburg entschieden. Um alles thematisch auf Hamburg auszurichten, gab es neben ein paar anderen tollen Alternativen (Turmboden auf dem Michel, Wasserschlösschen in der Speicherstadt) auch die Option, eine eigene Barkasse zu chartern. Gesagt, getan, die Zusagen für das eintägige Event mit Get Together am Vorabend, heute, dümpelten bei ca. 35 Teilnehmern rum. Durch einige kurzfristige Zu- und Absagen von verschiedenen Kollegen aus verschiedenen Gründen innerhalb der letzten Woche haben wir dann doch noch mit 42 Mitreisenden die kritische Marke geknackt.

Dazu muss man wissen, dass es auf einer handelsüblichen Hamburger Barkasse ab rund 40 Personen nach Auskunft des Veranstalters eher „kuschelig“ wird (O-Ton). Nach ein paar klärenden Telefonaten (ich mit Veranstalter, Veranstalter mit Caterer und vice versa) hat es gestern noch geklappt, kurzfristig für Platz zu sorgen (Sitzgelegenheiten raus, Stehtische rein) und sogar das Catering wurde noch aufgestockt.

Aber was wäre die beste Vorbereitung, wenn nicht auch noch andere Unwägbarkeiten dazwischenkommen. Wir hatten dazu vorsorglich eine Whatsapp-Gruppe für alle Teilnehmer gegründet.


09:25, Kollege JN

„Guten Morgen. J mein Flug wurde von 14:30 auf 17:30 verlegt. Lande jetzt voraussichtlich um 18:30. Nehme dann direkt ein Taxi zu den Landungsbrücken und hoffe, dass ich das bis 19:30 schaffe.“

– Mein erster Gedanke: warum hast du auch Air Berlin gebucht… Der zweite: Könnte knapp werden, 19:30 war geplantes Ablegen des Boots. Was zu dem Zeitpunkt noch keiner wusste: Landungen im Generellen und Taxis im Speziellen sollten heute noch schwierig bis rar oder gar nicht erhältlich sein.

12:55, Kollege R

„Flug annuliert, ich nehm dann mal den Zug“

13:00, Kollege J

„Mach ich gerade auch, fährt in 10 min los und stoppt in Düdo, schaffst du den noch?“

13:02, ich

„Nehmt JN mit;)“

13:04, Kollege M

„Ist das der Zug, der um 59 in Essen ist?!“

13:16, Kollege J

„Genau der“

„Gerade mit JM gesprochen, er versucht in Essen reinzuspringen“


Prima, denke ich, das ist also abgehakt und Team -nennen wir es vorausschauend Dortmund – kommt pünktlich. Die ersten Unkenrufe lassen aber nicht lang auf sich warten:

13:17, Kollege MA

„Sturmwarnung für HH heute Abend. Zieht euch warm an und nehmt unauffällig ein paar Plastikbeutel mit ;)“

13:18, Kollege RO

„Also Dresscode Friesennerz J“


Nach einem weiteren Hinweis auf die Orkanwarnung, zitiert vom Deutschen Wetterdienst, meldet sich Team Berlin in spe:≥‡

13:42, Kollegin J

„Mach mich nicht schwach, ich flüchte hier aus dem Orkangebiet Berlin & freue mich auf ruhigere Fahrwasser“

13:44, Kollege MA

„Hi J, wann flüchtest du denn? Ich mit dem Zug um 16:39…“

13:45, Kollegin J

„Ich bin extra schon früher los, damit mir umgestürzte Bäume auf den Gleisen nicht die Kutterfahrt vermiesen :-D“


Sie hatte ja keine Ahnung, wo das noch enden sollte…  Das ganze Elend ihres Zuges gibt es hier.


Ein wenig später bekommt Team Berlin erneut ungeplanten Zuwachs:

14:21, Kollege RO

„Ich sitz im Flieger über HH. Die Maschine hat den zweiten Landeversuch abgebrochen. Windböen mit über 100 km/h treffen auf das Flugzeug. Wir werden jetzt wohl nach Hannover fliegen. Hier sind alle meganervös. Hat sich 2x nach Absturz angefühlt.“

„Jetzt sind wir in Berlin gelandet. Fährt noch jemand aus Berlin Tegel nach HH?“


Die Nachrichten kamen natürlich beide gemeinsam nach seiner Landung an. Gleichzeitig kommen die ersten Meldungen über eine Großstörung zwischen Osnabrück und Bremen in unseren Whatsapp-Newsticker.


Team Dortmund also mit Verzögerung:

14:26, Kollege J

„Unser Zug macht jetzt in Dortmund erst einmal Pause, in Hamburg dürfen wohl gerade keine Züge einfahren . . .“

14:27, Kollege MK

„Mein ICE hat gerade gesagt, dass der Hamburg HBF gesperrt ist!? Ich sitze hier auf jeden Fall erstmal in Dortmund fest :/“

14:27, Kollege J hat geschnallt:

„@MK, sitzen wir im gleichen Zug?“


Nachdem noch ein paar weitere Kollegen über den Zug verteilt feststellen, dass sie das gleiche Schicksal teilen, formiert sich der Widerstand gegen den Sturm somit zunehmends von Team Dortmund. Mietwagen, solang noch welche zu bekommen sind, ist die Devise. Dem Kollegen, der anbietet, mit dem Auto nun selbst aus Mülheim loszufahren und selbstlos 4 weitere Sitzplätze anbietet, springen die gestrandeten Mitfahrer reihenweise wieder ab, als sie erfahren, dass er überzeugter Fiesta-Fahrer ist.


In Sunshine State Bavaria dagegen ist noch Friede-Freude-Eierkuchen:

14:27, Kollege F

„Fliege in 35min von MUC – @RO, fliegt irgendwas Hamburg an, wurde euch was gesagt?“


Währenddessen kommt über meinen Nachrichtenticker der WELT die Meldung, dass die Bahn soeben den Zugverkehr in Norddeutschland komplett eingestellt hat.

Postwendend die Bestätigung der Kollegin J, die ja ironischerweise einen Zug früher genommen hatte, um dem Sturmchaos zu entgehen):

14:43, Kollegin J

„Bei der Bahn geht nichts mehr. Ich sitze in Ludwigslust fest. @Berliner, nehmt mich mit, falls ihr hier vorbeifahrt!“

Die ganze Odyssee dieses einen Zuges könnt ihr hier nachlesen: spiegel-online.de…


Während sich auch Team Berlin über weiteren Zuwachs freut und gleich zwei Wagen mietet, in die noch weitere 3 Kollegen zusteigen sollten, geht ein komplett neues Team an den Start:

14:51, Kollegin P

„Jemand in Kassel? Da hört dann der Bahnverkehr auf…“

Ich frage zwischenzeitlich vorsorglich, ob heute Abend überhaupt ein Boot ablegt… Die Rückmeldung ist aber positiv, der Windfinder würde schließlich ab 17 Uhr wieder gemäßigtes Wetter anzeigen.


Zwischen neuerlichen Updates bzgl. des Flugverkehrs gibt es auch ein paar Verwirrungen in MUC und neues aus ZRH:

15:01, Kollegin I

„15 Uhr Flug gestrichen. Meiner geht um 16 Uhr… hoffentlich“

15:02, Kollege F

„15 Uhr Flug gestrichen? In dem sitz ich gerade“

15:07, Kollegin C

Also ich bin in ZH und bisher ist nichts gestanden von Verspätungen oder gar Cancellation! Nur mal so für die Zürich-Fraktion. Frage ist nur, ob man vom Hamburger Flughafen dann irgendwie an de n Hauptbahnhof kommt? Weißt da jemand was?“

15:08, Anekdote von Kollegin P

„Bei uns hieß es eben übrigens auch kurz, dass wir nach Kopenhagen weiterfliegen, aber beim dritten Landeversuch hat es der Pilot geschafft“


Nach den ersten Erfolgsmeldungen hätte man allerdings fast meinen können, die Ankunft in HAM war nur der erste Streich, denn der zweite folgt sogleich:

15:35, Kollegin L

„Ab Hamburg Airport kein Zug, kein Taxi – nur sehr kompliziert mit Bus“

…in dem, wie sich später herausstellen sollte, auch noch jemand einen Herzinfarkt erlitten hat, was natürlich für weitere Verzögerungen wegen des Notarzt-Einsatzes gesorgt hat.

15:44, Kollegin J kommt mit ihrer vorerst letzten Nachricht an Team Berlin immer noch nicht vom Fleck:

„Nehmt mich in Ludwigslust mit! Das liegt quasi auf der Strecke ;). (…) Wir haben hier keinen Strom mehr, muss Akku haushalten“


Mit mindestens 5 Autofahrer-Teams aus drei Standorten (glücklicherweise haben alle schnell geschaltet, denn weder Sixt noch Europcar haben unbegrenzte Wagen) checke ich derweil die Lage der Parkplätze im Umkreis. Jeder Hamburger wird sich an den Kopf fassen für die Frage, wo man an den Landungsbrücken parken kann…

15:45, die Benefits der Gruppe sind derweil unverkennbar, was auch Kollegin C auffällt:

„Übrigens: die Gruppendynamik hier ist der Hammer J freu mich euch alle f2f kennzulernen!“

Statt Licht am Ende des Tunnels gibt es für Team Dortmund einen Regenbogen. Das Symbol bleibt das gleiche… .

16:24, gleiches gilt für Kollege F:

„Gerade bei Sonnenschein in Hamburg gelandet… Ruhiger Flug ohne Probleme“


Währenddessen wird das Weltuntergangsszenario im Zug in Ludwigslust munter weiter ausgebaut:

16:56, Kollegin J:

„Hier werden die Bestände des Bordrestaurants kostenlos unter die Leute gebracht. Strom & Notstrom seit Stunden aufgebraucht. Toiletten unbenutzbar. Das ist ne richtige Survival-Nummer hier in Ludwigslust.“

16:58, Kollegin A:

„Eigentlich ist das ganze eine von Julia geplante Maßnahme zum Teambuilding“

Innerlich beglückwünsche ich mich zwar nicht gerade zu der Entscheidung, die Orga übernommen zu haben, kann mir aber ein Lächeln nicht verkneifen, weil ich es auch ziemlich stark finde, wie alle versuchen, mit Galgenhumor an die Sache heranzugehen.

17:04, ich:

„Wir wollten mal sehen, wie stressresistent wir Berater insgesamt sind. Für mich ist das eher ne Organisations-Challenge – Ablegezeit wird neu verhandelt und es findet sich sicher auch für Nachzügler eine Lösung, evtl. fahren wir einfach zwei Runden. Für genug Kaltgetränke und vor allem Essen ist gesorgt!“


Gesagt, getan – so sollte es dann auch kommen, der Großteil war um 20:15 Uhr an Bord und die Nachzügler sollten sich um 21:00 Uhr dazugesellen. So haben wir dank der Flexibilität des Veranstalters doch noch fast* (*leider kam der allerletzte Kollege erst nachts um halb vier) allen eine zumindest kleine, feine Bootstour ermöglicht, auch wenn wir alle um ein paar Nerven ärmer und graue Haare reicher geworden sind…

Nach einem geglückten Business-Teil am Freitag gab es zwar ein paar Querelen aufgrund der Rückreise (neben unendlich langer Wartezeit in der Sicherheitskontrolle und Verspätungen auch die kuriose Begebenheit, dass der unter Eurowings gebuchte Flug nach Köln von einem Flieger mit „AirEuropa“-Bemalung und nur Spanisch-/ Englisch-sprechendem Personal durchgeführt wurde, aber wen stört das noch nach der Anreise?

// Barkasse: GREGORS Hamburg

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